Interview-Methoden

Übersicht

Es gibt unterschiedliche Interview-Ansätze, die sich zur Wissensweitergabe eignen können. Insbesondere unterscheiden sich „strukturierte Interviews“, also mit vorgefertigten Fragen/Fragebögen und narrative Ansätze (ähnlich denen beim „narrativen Story-Telling“), bei denen ohne vorgefertigte Fragebögen beim Interviewer gearbeitet wird. Wir stellen hier die „Interview-Methode“ vor, die von Dirk Liesch 1997 erstmalig strukturiert angewandt und danach weiterentwickelt wurde.

Die „Interview-Methode“ (nach Dirk Liesch)

Interview-Methode (nach Dirk Liesch)
Interview-Methode (nach Dirk Liesch)

Die Methode wird zum Wissenstransfer eingesetzt. Es ist eine sehr einfache (narrative) Art des Storytelling, bei der der zeitliche Aufwand hautsächlich beim Interviewer und nicht bei der Expertin liegt. Der Aufwand beim Experten beträgt zwischen 5-20 min pro Thema. Die Methode eignet sich für Themen, die gut erzählt werden können (kein Zeigen erforderlich).

Für diese Interview-Methode gibt es ein Whitepaper (Lizenz CC-BY 4.0, dlc_interviewmethode_whitepaper_ccby_2010.pdf ) aus dem Jahr 2010. Außerdem wurde die Methode in der WMOOC Live-Session „Wissenstransfer in der Organisation – praktische Umsetzung“ ausführlicher vorgestellt. Dazu steht auch die entsprechende Präsentation hier zur Verfügung (Lizenz CC-BY 4.0, 20171107_wissenstransfer_in_organisation_dirk_liesch.pdf, 20171107_wissenstransfer_in_organisation_dirk_liesch.pptx).

Die Interview-Methode wird zwischen „13:15 – 20:43 min“ in dieser Live-Session erklärt:

Einsatzfelder der Interview-Methode:
  • Nachfolgevorbereitung, Generationenübergang
  • Arbeitsplatzrotation und Positionsveränderungen
  • Projekt-Debriefing und „Lessons Learned“
  • Einarbeitung neuer Mitarbeiter
  • Azubi Ausbildung (Einarbeitung in Abteilungen/Rotation)
  • Projektarbeit (Anforderungsaufnahme, Konzeption)
Ablauf der Interviewmethode
  1. Zwischen Expertin und Interviewer werden die Themen abgestimmt (Einzelthemen, die jeweils gut in 5-20 min erzählt werden können).
  2. Die Expertin erzählt frei zum jeweiligen Thema. Der Interviewer hört zu und versucht zu verstehen. Am Ende fragt der Interviewer so lange nach, bis er das Thema verstanden hat.
  3. Das Interview wird aufgenommen (Audio-Datei, z.B. MP3)
  4. Die Aufnahme (MP3-Datei) wird vom Interviewer in den Wissenspool (z.B. Wissendatenbank) der Organisation mit einer kurzen Beschreibung (Zusammenfassung, max. 1/2 A4-Seite Text) und strukturierten Meta-Daten (z.B. Schlagwörter, Kategorien, Ordner etc.) eingestellt. Ggf. schaut die Expertin nochmal drüber, ob die Zusammenfassung und Einordnung so passt.
  5. Der entstandene „Wissensbaustein“ zum Thema kann nun zur Wissensweitergabe an Dritte, z.B. zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen, genutzt werden, auch online und remote.
Charakteristik, Durchführung und Herausforderungen bei der Interview-Methode
Rahmenbedingungen zur Interviewmethode
Rahmenbedingungen zur Interviewmethode

Da der Experte „frei erzählt“ und im aufgenommenen MP3 sein Orginalton, inklusive Betonungen und Emotionen, weitergeben wird, eignet sich die Methode auch zur Erschließung von implizitem Wissen. Es ist ein hoher Themendurchsatz bei großer Granularität möglich (viele kleine flexibel nutzbare „Wissensbausteine“). Der Technikaufwand ist minimal (Aufnahmen auch einfach mit Smartphone möglich).
Solche Interviews können strukturiert und systematisch in den Arbeitsalltag integriert werden, z.B. als „Donnerstag-Teegespräch“.

Eine Herausforderung ist dennoch die Qualitätssicherung, die durch eine strukturierte Themenplanung und z.B. einen Interviewleitfaden für die Interviewerin unterstützt wird. Eine dergrößten Herausforderungen ist dabei, die Expertin darauf einzuschwören, konzentriert beim jeweiligen Thema zu bleiben und nicht abzuschweifen. Ggf. müssen weitere zukünftige Interviewthemen als Stichpunkte während des Gesprächs notiert werden. Beide Beteilige, Experte und Interviewerin, sollten den Gedanken von einzelnen kompakten „Wissensbausteinen“ im Vorfeld verstanden haben.

Natürlich macht das Ganze nur Sinn, wenn später diese Bausteine auch genutzt und bei Bedarf gefunden werden, z.B. im Rahmen von Einarbeitungen, Urlaubsvertretungen, Aufgabenveränderungen in der Organisation usw.

Themenfindung, Klassifizierung und Eignungsprüfung
Interviewmethode: Themen Eignungsprüfung
Interviewmethode: Themen Eignungsprüfung

Die Themenfindung für die Interviewmethode kann aus unterschiedlichem Blickwinkel erfolgen:

  • dezentral pro „Abteilung“: Also jede Abteilung und Bereich kann selbst Themen festlegen zu denen Wissen mittels Interviewmethode weitergegeben wird. Die Interviews können „intern“ durchgeführt werden. Die MP3s inkl. Zusammenfassung (Wissensbausteine) können dezentral in die organisationsspezifische „Wissensbasis“ eingestellt werden.
  • Expertenzentriert: Das Wissen einer (z.B. einer ausscheidenden) Expertin wird über die Interviews in solchen Wissensbausteinen erfasst.
  • Projektzentriert: Das Wissen, was in einem Projekt entsteht, wird entsprechend in projektspezifischen Interview-Themen bewahrt.
  • Themenzentriert: Das Wissen zu speziellen Themenbereichen (z.B. Service) wird in entsprechenden Wissensbausteinen mittels der Interviews weitergegeben und bewahrt.

Bei einer entsprechenden „Wissenspool“-Lösung in der Organisation können diese „Wissensbausteine“ (MP3s + Zusammenfassung) aus den Interviews entsprechend mehrfach klassifiziert werden (z.B. über Schlagworte, Kategorien, Ontologien) entsprechend der Abteilungen (Organigrammeinheiten), den Projekten, Themen, Rollen (z.B. Teamleiter), Experten, Prozesszugehörigkeiten oder auch der Wissenstiefe (Basiswissen -> Expertenwissen). So wird ein besseres Auffinden und zielgerichteteres Nutzen der entstehenden Wissensbausteine (Interviews) unterstützt.

Warum nur „Zusammenfassung“ + Meta-Daten?

Warum sollten nur eine Zusammenfassung und Meta-Daten (Klassifizierung) beim Einstellen der Audio-Dateien (MP3s) in die Wissenspool-Lösung erstellt werden? Um den Aufwand zu optimieren. Die Zusammenfassung soll nur als Entscheidungsgrundlage dienen, ob dieser Wissensbaustein für eine Wissenssuchende/Lernende gerade passt. Dann kann das MP3 des Interviews im Originalton, mit Betonungen und Fokus des ursprünglichen Experten, gehört werden. Die „Klassifizierung“ (Meta-Daten) ermöglicht ein besseres Auffinden aus unterschiedlichen Kontexten (z.B. Abteilungswissen, Themenwissen oder Projektwissen).


Kommentare/Hinweise:
Hinweise, Ergänzungs- o. Änderungsvorschläge als eMail (unbedingt mit dieser URL) an uns Autoren (Gabriele Vollmar und/oder Dirk Liesch).